Pressemitteilung

Ausstellungseröffnung "Columbus-Förderpreis für aktuelle Kunst in Kooperation mit der ADKV"

Wilhelm Klotzek /
Zigaretten und andere nichtalkoholische Getränke
Columbus-Förderpreis für aktuelle Kunst in Kooperation mit der ADKV
22. März bis 11. Mai 2014
Eröffnung / Freitag, 21. März 2014, 18 bis 21 Uhr


Wilhelm Klotzeks künstlerische Arbeit bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Bildhauerei und Text und setzt sich mit Themen von Identität und der eigenen Beziehung zur Geschichtsschreibung auseinander. Dabei bedient er sich verschiedener Medien wie Performance, Skulptur, Video, Installation, Prosagedichten und Künstlerbücher und begreift die
Sprache hierbei als bildhauerisches Material. Geboren in Ostberlin, erlebte er die Wende und Nachwendezeit als Kind und Jugendlicher. Sein persönlicher Lebensweg, der Bruch von einem Gesellschaftssystem in ein anderes, dient ihm ebenso als Ausgangspunkt seiner künstlerischen Praxis wie auch ein nostalgiefreier, analysierender Blick auf eine jüngere, deutsche Vergangenheit. Das Motiv des Scheiterns ist in nahezu allen Arbeiten präsent, mal offensichtlich oder eben implizit, jedoch immer mit der Empathie des Künstlers versehen.
Für die Ausstellung in Wiesbaden realisierte Klotzek eine neue, ortsbezogene Videoarbeit.
In „Kinematografischer Dialog. HESSEN JETZT!“ entwirft er das Set einer regionalen Talksendung, in der der Moderator, vom Künstler selbst interpretiert, den fiktiven Regisseur Wilfried Maria Kehraus zu dessen langwierigem Filmprojekt, Thomas Manns „Buddenbrooks“,
befragt. Eine tatsächliche Verfilmung des Romans durch den Hessischen Rundfunk fand 1978 in der Wiesbadener Villa Clementine und damit in Nachbarschaft zum Nassauischen Kunstverein statt. Daran angelehnt, scheinen auch in Klotzeks Video sowohl das Design des Settings als auch der Typus Wilfried Maria Kehraus der Vergangenheit
anzugehören und einer Zeit, in der geistige Debatten von mehrheitlich männlichen Protagonisten als Repräsentanten genialisch-moralischer Instanz zur abendlichen Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgetragen wurden. Sukzessive demontiert Klotzek diesen Schöpfertypus und führt ihn, mit der Einspielung erster Sequenzen aus der Buddenbrooks- Verfilmung, schließlich ad absurdum. In einer weiteren, 2014 ortsspezifisch entwickelten Arbeit, entwirft Klotzek eine Kampagne für die hessische Landeshauptstadt. „Dunstraum Wiesbaden. Eine Stadt raucht“ bewirbt Wiesbaden als Raucherhauptstadt Europas 2014 – eine Vision, die der Künstler u.a. in Emailleschilder einschmilzt und mit der er auf ein Thema zurückgreift, das bereits in vorangegangenen Werken von ihm verhandelt wurde: Das Rauchen, das Klotzek nicht nur als Signifikanz einer vergangenen Ära (und Aura) behandelt – deren illustrativster Vertreter vielleicht Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist – sondern ebenso eine persönliche Dimension, bezogen auf Klotzeks eigene Biografie, entfaltet. Mitinitiator von „Dunstraum Wiesbaden. Eine Stadt raucht“ ist Wilfried Maria Kehraus, der Regisseur in rauchender Gestalt aus dem „Kinematografischen Dialog. HESSEN JETZT!“, wodurch Klotzek die beiden Arbeiten zu einem Erzählstrang verbindet.
Neben den eigens für Wiesbaden neu entstandenen Arbeiten präsentiert die Ausstellung auch einen Einblick in Klotzeks vielseitiges, vorhergehendes Schaffen, in dem Berlin ‒ seine Geburts- und Heimatstadt, aber auch Ort geschichtlicher Umbrüche, Paradoxien und politischer Lager ‒ einen Referenzpunkt darstellt. Neben den „Skulptrinen“ (2010), einer Werkgruppe verhinderter Sockelskulpturen, deren Form sich aus den für Berlin gängigen Gehwegpflasterungen „Knochen“, „Bischofsmütze“ und „Charlottenburger“ generiert und die den Bedeutungsinhalt einer Bezeichnung ausdehnen, wird die Installation„Ostpro“ (2010) gezeigt. Sie nimmt Bezug auf eine jährlich stattfindende Verkaufsmesse für Ostprodukte, welche Klotzek hinter gelblich eingefärbtem Butzenscheibenglas ins Diffuse überträgt. Die dreikanal-Videoinstallation „Das architektonische Trio“ (2012) greift unterhaltsam im Stil einer altertümlich wirkenden TV-Diskussionsrunde städtebauliche Veränderungen auf, wobei Klotzek seine Figuren abermals grotesk übersteigert. Weitere Arbeiten der Ausstellung sind eine Auswahl an Lampenskulpturen und vom Künstler verfasste und gelesene Gedichte. Im Rahmen der 14. Kurzen Nacht der Wiesbadener Galerien
und Museen am 5. April finden außerdem um 19, 21 und 23 Uhr Performances mit Wilhelm Klotzek statt.
Wilhelm Klotzek ist der Preisträger des Columbus-Förderpreises für aktuelle Kunst in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) 2013. Der zum zweiten Mal in dieser Form vergebene, mit 30.000 Euro dotierte Förderpreis wendet sich
an Künstlerinnen und Künstler, die am Ende ihrer akademischen Ausbildung bzw. noch am Anfang ihrer künstlerischen Karriere stehen. Neben eines monatlichen Grundbetrags für den Preisträger sieht die Förderung eine Solo-Ausstellung, die jährlich wechselnd in einem der Mitgliedervereine der ADKV realisiert wird, und eine umfangreiche Publikation vor. Die Ausstellung im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden ist Wilhelm Klotzeks erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch. Kuratiert von Elke Gruhn und Sara Stehr